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Geht Indiens wirtschaftlicher Aufholjagd der Strom aus?

Die indische Strombranche stellt das Land bei seiner wirtschaftlichen Aufholjagd vor massive Hindernisse: Die Herausforderungen reichen von Stromausfällen durch Brennstoffmangel, Verluste in Übertragung und Verteilung durch veraltete Infrastruktur sowie ineffiziente Tarifsysteme und schlechte Regulierung seitens des Staates. Ähnlich wie in Deutschland stehen auf allen Wertschöpfungsstufen massive Veränderungen auf dem Weg zu höchstmöglicher Versorgungssicherheit an.
Derzeit ist der indische Strommarkt weltweit der fünftgrößte, im Februar 2013 waren 215 GW installiert. Allein in den letzten 20 Jahren sind beachtliche 130 GW installiert worden. Bis 2017 rechnen Experten mit der Installierung weiterer 100 GW. Zum Vergleich: Deutschland hat eine installierte Bruttostromerzeugungskapazität von 174 GW (2011). Durch dieses Wachstum zählt Indien zu den wachstumsstärksten Märkten des Energiesektors weltweit. Zugleich steht das Land nach den USA, China und Russland weltweit an vierter Stelle in Sachen Energieverbrauch.
Derzeit prägen Stromübertragungsverluste und Rohstoffknappheit für die Stromerzeugung die Situation. Und trotz des in den vergangenen Jahren starken Ausbaus der Stromerzeugungskapazitäten leidet Indien nach wie vor unter Strommangel. Hinzukommt, dass 40 Prozent des Stroms bei der Übertragung durch veraltete Infrastruktur, Diebstahl und nicht geeichte oder veraltete Stromzähler verloren gehen. Deshalb muss Indien die Stromverteilnetze nun an unzähligen Stellen erneuern – hier sind die Herausforderungen denen in Deutschland vergleichbar: „Das Stromnetz in Indien muss auf beiden Ebenen aufgerüstet werden, um die permanent steigende Grundlast decken zu können“, sagt Dr. Matthias von Bechtolsheim von der Strategieberatung Arthur D. Little.
Die Entwicklungen führten bei den regionalen Stromverteilungs-Unternehmen, in Indien „Discoms“ genannt, in den vergangenen Jahren zu wachsender Verschuldung. Den staatlichen Discoms entgehen massiv Umsätze, da große Teile des erzeugten Stroms bei Transport und Verteilung verloren gehen („T&D loss“). Ihr kommerzieller Verlust stieg von 2,4 Milliarden Euro (2007/2008) auf 5,3 Milliarden Euro (2011/2012). Die Diskrepanz zwischen den Kosten für die Stromerzeugung und den Tarifen haben die Misere im indischen Stromsektor weiter verschlimmert.

Der größere Verlust führt u.a. zu Liquiditätsproblemen, denn die Verteilnetzbetreiber (Discoms) brauchen für die Erneuerung der Netze mehr Umlaufvermögen. Noch vor einigen Jahren wurden sie subventioniert oder mit günstigen Krediten versorgt, um diese ihre Verluste kompensieren und ihr Umlaufvermögen finanzieren zu können. Allerdings reichten die Kredite nie aus, um die Verluste aufzufangen. Zuletzt strafften die Banken die Bedingungen für die Kreditvergabe und heute sträuben sich selbst staatliche Banken, Kredite für die maroden Netze zur Verfügung zu stellen.
Ein Restrukturierungsprogramm der indischen Regierung soll nun Linderung bei den Schulden schaffen und zu mehr Liquidität und finanzieller Flexibilität führen. Langfristig scheint dies aber keine tragfähige Lösung zu sein.
„Nachhaltig würde die Stromversorgung nur durch Privatisierung wachsen und durch die Beteiligung der verschiedenen indischen Bundesstaaten an der Erneuerung der Stromnetze“, sagt Srini Srinivasan von Arthur D. Little in Indien. Hier sieht Dr. Matthias von Bechtolsheim eine Parallele zu Erneuerung und Ausbau des Stromnetzes in Deutschland: „Auch in Deutschland stehen wir vor der Herausforderung, an der richtigen Stelle Anreize zu schaffen, um die Netze zu optimieren und dabei trotzdem die Kosten im Rahmen zu halten. In Deutschland kommt noch hinzu, dass der Anteil der volatilen erneuerbaren Energien hier wesentlich höher ist als in Indien und dadurch zusätzliche Anforderungen an das Stromnetz gestellt werden“, schätzt Dr. von Bechtolsheim die Situation ein.
Obwohl sich die sowohl die indische Zentralregierung als auch die Landesregierungen der einzelnen Bundesstaaten auf die Privatisierungswelle vorbereiten, bleibt abzuwarten, welchen Weg die Verteilnetzbetreiber einschlagen werden. „Das gesamte indische Wirtschaftswachstum hängt entscheidend von der gesunden Entwicklung des Stromsektors ab. Daher ist es nun an der Zeit für mutige und große Schritte zu einem schnellen Wachstum im indischen Stromsektor“, so Dr. Matthias von Bechtolsheim.
In der Studie
Restructuring Debts of Discoms' for Sustainable Power Growth beschäftigt sich Arthur D. Little mit der Situation auf dem indischen Strommarkt und zeigt Ansätze zu dessen Optimierung auf.

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Geht Indiens wirtschaftlicher Aufholjagd der Strom aus?

Die indische Strombranche stellt das Land bei seiner wirtschaftlichen Aufholjagd vor massive Hindernisse: Die Herausforderungen reichen von Stromausfällen durch Brennstoffmangel, Verluste in Übertragung und Verteilung durch veraltete Infrastruktur sowie ineffiziente Tarifsysteme und schlechte Regulierung seitens des Staates. Ähnlich wie in Deutschland stehen auf allen Wertschöpfungsstufen massive Veränderungen auf dem Weg zu höchstmöglicher Versorgungssicherheit an.
Derzeit ist der indische Strommarkt weltweit der fünftgrößte, im Februar 2013 waren 215 GW installiert. Allein in den letzten 20 Jahren sind beachtliche 130 GW installiert worden. Bis 2017 rechnen Experten mit der Installierung weiterer 100 GW. Zum Vergleich: Deutschland hat eine installierte Bruttostromerzeugungskapazität von 174 GW (2011). Durch dieses Wachstum zählt Indien zu den wachstumsstärksten Märkten des Energiesektors weltweit. Zugleich steht das Land nach den USA, China und Russland weltweit an vierter Stelle in Sachen Energieverbrauch.
Derzeit prägen Stromübertragungsverluste und Rohstoffknappheit für die Stromerzeugung die Situation. Und trotz des in den vergangenen Jahren starken Ausbaus der Stromerzeugungskapazitäten leidet Indien nach wie vor unter Strommangel. Hinzukommt, dass 40 Prozent des Stroms bei der Übertragung durch veraltete Infrastruktur, Diebstahl und nicht geeichte oder veraltete Stromzähler verloren gehen. Deshalb muss Indien die Stromverteilnetze nun an unzähligen Stellen erneuern – hier sind die Herausforderungen denen in Deutschland vergleichbar: „Das Stromnetz in Indien muss auf beiden Ebenen aufgerüstet werden, um die permanent steigende Grundlast decken zu können“, sagt Dr. Matthias von Bechtolsheim von der Strategieberatung Arthur D. Little.
Die Entwicklungen führten bei den regionalen Stromverteilungs-Unternehmen, in Indien „Discoms“ genannt, in den vergangenen Jahren zu wachsender Verschuldung. Den staatlichen Discoms entgehen massiv Umsätze, da große Teile des erzeugten Stroms bei Transport und Verteilung verloren gehen („T&D loss“). Ihr kommerzieller Verlust stieg von 2,4 Milliarden Euro (2007/2008) auf 5,3 Milliarden Euro (2011/2012). Die Diskrepanz zwischen den Kosten für die Stromerzeugung und den Tarifen haben die Misere im indischen Stromsektor weiter verschlimmert.

Der größere Verlust führt u.a. zu Liquiditätsproblemen, denn die Verteilnetzbetreiber (Discoms) brauchen für die Erneuerung der Netze mehr Umlaufvermögen. Noch vor einigen Jahren wurden sie subventioniert oder mit günstigen Krediten versorgt, um diese ihre Verluste kompensieren und ihr Umlaufvermögen finanzieren zu können. Allerdings reichten die Kredite nie aus, um die Verluste aufzufangen. Zuletzt strafften die Banken die Bedingungen für die Kreditvergabe und heute sträuben sich selbst staatliche Banken, Kredite für die maroden Netze zur Verfügung zu stellen.
Ein Restrukturierungsprogramm der indischen Regierung soll nun Linderung bei den Schulden schaffen und zu mehr Liquidität und finanzieller Flexibilität führen. Langfristig scheint dies aber keine tragfähige Lösung zu sein.
„Nachhaltig würde die Stromversorgung nur durch Privatisierung wachsen und durch die Beteiligung der verschiedenen indischen Bundesstaaten an der Erneuerung der Stromnetze“, sagt Srini Srinivasan von Arthur D. Little in Indien. Hier sieht Dr. Matthias von Bechtolsheim eine Parallele zu Erneuerung und Ausbau des Stromnetzes in Deutschland: „Auch in Deutschland stehen wir vor der Herausforderung, an der richtigen Stelle Anreize zu schaffen, um die Netze zu optimieren und dabei trotzdem die Kosten im Rahmen zu halten. In Deutschland kommt noch hinzu, dass der Anteil der volatilen erneuerbaren Energien hier wesentlich höher ist als in Indien und dadurch zusätzliche Anforderungen an das Stromnetz gestellt werden“, schätzt Dr. von Bechtolsheim die Situation ein.
Obwohl sich die sowohl die indische Zentralregierung als auch die Landesregierungen der einzelnen Bundesstaaten auf die Privatisierungswelle vorbereiten, bleibt abzuwarten, welchen Weg die Verteilnetzbetreiber einschlagen werden. „Das gesamte indische Wirtschaftswachstum hängt entscheidend von der gesunden Entwicklung des Stromsektors ab. Daher ist es nun an der Zeit für mutige und große Schritte zu einem schnellen Wachstum im indischen Stromsektor“, so Dr. Matthias von Bechtolsheim.
In der Studie
Restructuring Debts of Discoms' for Sustainable Power Growth beschäftigt sich Arthur D. Little mit der Situation auf dem indischen Strommarkt und zeigt Ansätze zu dessen Optimierung auf.